Lieg und seine Lieder

von Heinz Zilles

 

Bei vielen Gelegenheiten wird in Lieg gerne musiziert und gesungen. Dabei zeigen die Menschen, dass sie fröhlich sind und zünftig feiern können. Selbstverständlich sind jederzeit auch Freunde und Gäste eingeladen, sich in froher Runde einzufinden und die beliebten Weisen mitzusingen. Natürlich erklingen immer wieder die „Original Leja Leedcher“, welche zu speziellen Anlässen, oder einfach nur aus purer Lust und Laune gedichtet wurden. Ganz wichtig ist, dass diese Texte und Melodien für die Nachwelt erhalten bleiben, denn in unserer schnelllebigen Leistungsgesellschaft geht leider zu viel Traditionelles aus der „guten alten Zeit“ verloren.
Im Jahre 1951 dichtete der ehemalige Berliner Werner Boehlke ein sehr melodisches Walzerlied. Er kam aus der Gefangenschaft nach Lieg und fand hier nicht nur seine große Liebe. Als gelernter und passionierter Maler entdeckte er vor allem die Schönheiten der Natur ringsum und wurde sprichwörtlich gefangen von der Herzlichkeit der Menschen. Schnell fand er eine neue Heimat, die ihn begeisterte und die Großstadt Berlin, in der er aufwuchs, rasch vergessen ließ.
So entstand eines Tages die „Hommage“ an unser Lieg:

 

Lieg, wie bist du so schön

(Walzer)

Wie schön hat der Herrgott mein Lieg nur gemacht,
da bin ich so gerne bei Tag und bei Nacht.
Es rauschen die Wälder, der Mond lacht uns zu,
das Schönste auf Erden, mein Lieg nur bist du.

Ich war schon an Neckar, an Mosel und Rhein,
auch da war es herrlich, will ehrlich ich sein.
Doch denk´ ich an Lieg hier, ich sag´s immerzu,
das Schönste auf Erden, mein Lieg nur bist du.

Zum Hunsrück das Heimweh kommt nicht über Nacht,
es hat schon so mancher sein Glück hier gemacht.
Und wenn ich mal fort geh´, ich sag´s immer zu,
das Schönste auf Erden, mein Lieg nur bist du.

Seit 1964 gibt es in Lieg die weit über die Heimatgrenzen hinaus bekannten „Hunsrückmusikanten“, welche die Musik auf ihre Weise als hohes Kulturgut hegen und pflegen. Dieses Orchester hat sich in der Blas- und Volksmusikszene sehr früh einen „guten Namen“ erspielt. Schnell kam man weg von dem Image, eine reine „Blasmusik“ zu sein. Das reichhaltige Repertoire der verschiedensten musikalischen Stilrichtungen lässt es zu, für alle Auftritte, fast egal welcher Art, gewappnet zu sein. Vor allem ist jedoch die Unterhaltungsmusik gefragt. So ist es nicht verwunderlich, dass schon seit 1986 viele Auftritte bei Festveranstaltungen mit einem Gesangsduo absolviert werden (Gerhard Schneider u. Heinz Zilles; heute: Thomas Theisen und H. Zilles). Von den beiden Erstgenannten stammt auch der im Dialekt verfasste Text zu einer flotten Polka des berühmten Ernst Mosch. Dieses Lied wird seitdem von Groß und Klein „mit geschmettert“ und als „Leja Nationalhymne“ bezeichnet.

Mia säin alles echte Leja

(Polka)

Mia säin alles echte Leja,
un mia trinke gäa dä Wingertswäin,
jo, dat soll uns´re Losung säi,
dä Wingertswäin schmackt fäin.

Un mia küsse gäa die Rose,
denn sie es dat schienste Mägdelein,
dat ma net su läicht vergisst,
wenn ma en echte Leja es.

Die Gemeinde Lieg wurde im Jahre 1106 erstmals urkundlich erwähnt und konnte somit 2006 ihr 900-jähriges Bestehen feiern. Aufgrund des Straßenausbaus der L 108 (Hauptstraße) wurde das große Jubiläumsfest zu „900 Jahre Lieg“ allerdings erst 2007 abgehalten. Bei einem großen Heimatabend in der proppenvollen Hunsrückhalle erzeugten Alt und Jung aus Lieg mit ihren Vorträgen, Gedichten und Tänzen viel Stimmung und „zeigten“ Hunsrücker Fröhlichkeit. Natürlich ließen sie zur Freude der zahlreichen Besucher manch „Leja Steckelsche“ Revue passieren.
Selbstverständlich erklangen dazu auch viele Lieder. Unter anderem wurden sie vorgetragen von dem speziell für dieses Fest „einberufenen“ Chor, bestehend aus dem Kath. Kirchenchor Cäcilia Lieg (Frauen) und dem Heimatchor (heute: Männerchor Heimatklang Lieg e. V.).
In Deutschland gibt es viele Landstriche, in denen von Kindheit an Dialekt gesprochen und dies beibehalten wird. So sollte auch „dat Leja Platt“ keinesfalls in Vergessenheit geraten. Nur zu rasch würden ansonsten Begriffe komplett aus dem Vokabular verschwinden, mit denen junge Generationen oft heute schon nichts mehr anzufangen wissen; vom eigentlichen Gebrauch unserer Muttersprache ganz zu schweigen.
Aufgrund dessen habe ich zum o. a. Gemeindejubiläum ein Lied teilweise in „Leja Platt“ getextet, welches wesentlich beschreibt, wie die Menschen hier leben.

Wir sind alle eine Familie

(Walzer)

Häi en Leech, es wat los,
häi es immer die Stimmung groß,
weat gedanzt, un gelacht,
dorch die ganze Nacht.

Refrain:
Wir sind alle, alle, alle eine Familie,
wir sind alle, alle, alle ein Verein,
wir sind alle, alle, alle eine Familie,
und wir wollen immer, immer eine sein,
und wir wollen immer, immer eine sein.

Gruß un Klan, Alt un Jung,
bläiwe ewisch en ihrem Schwung,
fäiere gäa, schaffe vill,
don nix en die Mill.

Refrain:

Wendelin, Sankt Goa,
Schutzpatrone dat ganze Joa,
hallen Wacht, häi em Ort,
drim well kaner fort.

Refrain:

Glücklicherweise wurde noch der Text von einem uralten „Leja Leed“ aufbewahrt, was über Jahrzehnte von den unvergessenen Alois Kluwig sen. und Alois Krautkremer bei verschiedenen Anlässen vorgetragen wurde. Gerne werden sich die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger daran erinnern, denn beim Erklingen des Liedes war die Stimmung sofort auf dem Höhepunkt. Das lag allerdings nicht nur am Text selbst. Unnachahmlich waren Gesang, Mimik und Gestik der Vortragenden.  Manch Zuhörer bekam „lachtränende Augen“, hielt sich den Bauch vor Lachen und schlug sich begeistert auf Knie und Schenkel.
Ganz besonders trug natürlich das Lied zur Unterhaltung am Kirmesmontag bei, wenn im Gasthaus ein zünftiger Frühschoppen, der zeitlich oftmals weit über den Dämmerschoppen hinaus ging, abgehalten wurde (übrigens: gefeiert wird am Kirmesmontag selbstverständlich heute noch in ähnlicher Art und Weise). Hier fand auch der letzte Auftritt der beiden Obengenannten noch im hohen Alter statt.
Das Lied selbst handelt von einer Ziege (Geis), die sich stets einen etwas größeren Schwanz (Sterz) gewünscht hat, jedoch diesbezüglich von der Natur benachteiligt blieb und auf ewig mit ihrem „Stummel-Schwanz“ (Stömmelsche) vorlieb nehmen musste.

Dä Sterz

(frei im Vortrag)

Et lag en Geis en ihrem Schmerz,
sie hatte nur en Stömmsches Sterz.
Dä Sterz, dä wollt net woose,
dä Sterz, dä wollt net wie – wa – woose.
Dä Sterz –  dä Sterz, dä Sterz – dä Sterz,
dä klitze, klitze, klane Stömmsches Sterz.
Un med dem Sterz do det se wippele,
det se zippele, säifzt un sät se,
die poa Härscha, die poa Zippele,
säin der Meh net wert.

Et fählt gewess die Fäichtichkaat,
dat ä net länger woose deet.
Soss dät dä Sterz doch woose,
soss dät dä Sterz doch wie – wa – woose.
Dä Sterz – dä Sterz, dä Sterz – dä Sterz,
dä klitze, klitze, klane Stömmsches Sterz.
Un no dem Milledaasch det se stippele,
stoppt dat Stömmelsche do e ren,
deet die Kält se och net kitzele,
un stieht doch medde dren.
Dä Sterz – dä Sterz, dä Sterz – dä Sterz,
dä klitze, klitze, klane Stömmsches Sterz.
Un no dem Milledaasch det se stippele,
stoppt dat Stömmelsche do e ren,
die poa Härscha jetzt och kitzele,
un stieht doch medde dren.

Un als dä helle Morje kam,
die Geis met Schrecke woa ganz lahm.
Dä Sterz woa fest gefrore,
dä Sterz woa fest gefrie – fra – froore.
Dä Sterz – dä Sterz, dä Sterz – dä Sterz,
dä klitze, klitze, klane Stömmsches Sterz.

Un mutisch fing se an ze heppele,
riss dat Stömmelsche do e rous,
die poa Härscha, die poa Zippele,
säin do no ganz ous.
Dä Sterz – dä Sterz, dä Sterz – dä Sterz,
dä klitze, klitze, klane Stömmsches Sterz.
Un med dem Sterz do det se wippele,
det se zippele, säifzt un sät se,
die poa Härscha, die poa Zippele,
säin der Meh net wert!

Pünktlich zum ersten Chorfest des neu gegründeten „Männerchor Heimatklang Lieg e. V.“ im April 2009, welches unter dem Motto „Musikalischer Frühling“ abgehalten wurde, komponierte Ernst Escher aus Lieg ein schönes Walzerlied. Es beschreibt unseren Heimatort und die wunderbare Umgebung, in der wir hier wohnen. Unter anderem werden auch die „3 Pappeln“ besungen, die als Wahrzeichen von Lieg auf der Anhöhe in Richtung Treis-Karden stehen und von weit her zu sehen sind.

Oh, du mein Hunsrückland

(Walzer)

Zwischen Nahe und Mosel und dem schönen Rhein,
da bin ich geboren, es kann nur der Hunsrück sein.
Lieger Mädchen und Moselwein, laden uns zur Stimmung ein,
bist du alt, bist du jung, alles kommt in Schwung.

Refrain:
Oh, du mein Hunsrückland, Heimat bist du schön.
Wälder rauschen Tag und Nacht, über Bergeshöh´n,
und das munt´re Rehlein springt über Feld und Au´n.
Oh, wie ist das alles hier herrlich anzuschau´n.
Bächlein rauschen überall im Lützer und Lieger Tal,
Bächlein rauschen überall im Lützer und Lieger Tal.

Wo die Lerche so fröhlich singt und der Kuckuck hallt,
und des Wand´rers frohe Lied über die Fluren schallt.
Wo die Bäume noch rauschen, über Täler Bergeshöh´n,
da möcht´ ich gerne sein, Heimat bist du schön.

Refrain:

Wenn ich abends spaziere durch die Flur allein,
seh´ ich Hirsch und Rehlein steh´n, äsent im Mondenschein.
Wo drei Pappeln im Winde steh´n, kann man weit in die Ferne seh´n,
da möcht´ ich gerne sein, da bin ich daheim.

Refrain:

Musiker sind oft gesellige Menschen, ganz besonders einige Aktiven der Hunsrückmusikanten. Diese frönen nicht nur ihrem Hobby, sondern sie treffen sich regelmäßig nach der Musikprobe in ihrem Stammlokal. So hat sich vor vielen Jahren ein Musiker-Stammtisch gebildet. Hier werden Neuigkeiten ausgetauscht  und Pläne geschmiedet, hauptsächlich für die nächste Stammtischtour. Nebenbei wird natürlich auch das eine oder andere Gläschen geleert und gerne ein Lied „geträllert“. Auf diesen Freundeskreis passt der nachstehende von mir verfasste Text zu einer schönen Polka.

Beim Dorfwirt

(Polka)

Hier bei uns zu Haus,
hier im Hunsrückland,
gibt man sich ein Stelldichein,
reicht sich froh die Hand,
wenn man sich zum Stammtisch trifft,
das ist doch bekannt.

Jeden Donnerstag,
geh´n wir fröhlich aus,
treffen uns im Stammlokal,
keiner bleibt zu Haus,
alle Freunde sind dabei,
Peter, Jupp und Klaus.

Refrain:

Ja, Freunde und Musik,
halten uns in Schwung, da kann man lustig sein.
Ja, und es ist egal, ob man alt, ob jung, denn wir sind ein Verein.
Ja, Fröhlichkeit tut gut, hält uns alle fit, drum stimmt jetzt mit uns ein,
schenkt die Gläser wieder voll, wir stoßen mit Euch an,
bei Wein und auch Gesang.

Besonders stolz sind wir in Lieg auf unsere Kinder und Jugendlichen, die sich hervorragend in die Gemeinschaft einbringen und so die Traditionen fortsetzen. Dies zeigt sich musikalisch unter anderem auch an Karfreitag, wenn sie aufgrund der schweigenden Kirchenglocken den Menschen im Dorf die Mittagszeit verkünden. In großer Schar ziehen sie dann mit „Klappern und Rombeln“ lärmend durch die Straßen und schmettern ihren Vers.

Ostern

Meddaach, anner Daach, iwwermoa es Uusterdaach.

Selbstverständlich darf ein Tag im Jahreskreis nicht fehlen, an dem besonders im Rheinland, aber auch in hiesiger Gegend die Narren außer Rand und Band sind. Aus allen Ecken erschallen zur Fastnachtszeit und speziell am Rosenmontag die Stimmungslieder. Die Kinder ziehen dann morgens im Dorf  von Tür zu Tür und singen „en Leja Platt“ ihr Liedchen, so wie es schon die Vorfahren vor vielen Jahren und Jahrzehnten taten. Als Belohnung bekommen sie Süßigkeiten und sicherlich nicht wenige Taler. Das haben sie sich auch redlich verdient.

Fastnacht

Wenn Fassenacht es, wenn Fassenacht es,
da schlacht mäi Vadder dä Bock.
Da danzt mäi Modder, da danzt mäi Modder
un schlaaft se ihre Rock.
Un säi ma zo der Leja Fassenacht en gelore,
dat kann jo goa näist schore,
do gieh ma äwe hin.

Leech Helau!