Kirmes in Lieg
Einer der großen Höhepunkte im Kirchenjahr war und ist neben den bedeutendsten christlichen Festen Ostern, Pfingsten und Weihnachten die Kirchweihfeier, auch Kirmes, Kerb, Kirmse oder Kermes genannt.
Einer der großen Höhepunkte im Kirchenjahr war und ist neben den bedeutendsten christlichen Festen Ostern, Pfingsten und Weihnachten die Kirchweihfeier, auch Kirmes, Kerb, Kirmse oder Kermes genannt.
Mit festlichen Klängen durch den MV Lieg wird der überdimensionale Kirmesbaum zum Aufstellen in der Dorfmitte herangekarrt.
Ursprung davon war die erste heilige Messe oder die Weihe der Pfarrkirche an einen Schutzpatron, im Fall von Lieg an den heiligen Goar.
Der beliebte und große Heilige zog bereits vor dem Jahre 500 aus seiner Heimat Aquitanien, dem heutigen Südfrankreich, als Priestermissionar zum Mittelrhein, um hier den christlichen Glauben zu verkünden. Zwischen Boppard und Oberwesel gründete er eine Klause und brachte sehr rasch den Menschen in den Wäldern und den angrenzenden Hügeln des Rheins die frohe Botschaft von der erlösenden Liebe Gottes.
Sprichwörtlich waren seine große Gastfreundschaft für jedermann und sein stets frohes, gütiges Lächeln.
In seiner Vita wird berichtet, dass er bei einem Besuch des damaligen Trierer Bischofs seinen Mantel an einen Sonnenstrahl hing.
Wenn Kirmes anstand, war immer Freude pur angesagt, da diese alljährliche ausgelassen und fröhlich gefeiert wurde. Trotzdem war es so, dass die Kirmes für viele Hausfrauen früher einen großen Stress bedeutete. Lange vor den elektrischen Herden mussten die Backzeiten für den „Backes“ ausgelost werden, wobei auch nachts durchgebacken und gewerkelt wurde.
Stolz konnte man dem zumeist zahlreichen Besuch die herrlich duftenden Backergebnisse wie Streusel- und Obstkuchen präsentieren.
Damals galt das Fahrrad noch als echtes Statussymbol, mit dem man auch zur Kirmes anreisen konnte.
Vor allem die Kinder waren in „fiebriger“ Erwartung der großen Feier, fast die einzige Abwechslung in dem oft langeiligen Alltag. Mittwoch oder Donnerstag vor der Kirmes ließen sich die Kleinen nicht mehr zurückhalten. Kopf und Ohren wurden gespannt auf die Straße gelegt, was damals noch gefahrlos möglich war, um das Ächzen und Knarren der schweren Kirmeswagen zu hören.
Endlich war es soweit: Eine bunte, schillernde Welt mit Papierblumen, Süßigkeiten, Schießbuden, Ständen und Karussell brach ein in das graue Allerlei der gewohnten Realität und verzauberte für wenige Tage Alt und Jung.
Freitags kam schließlich der lang ersehnte Besuch aus dem „Niederland“ (Köln-Düsseldorfer Raum) mit Kind und Kegel, freudig begrüßt von den Einheimischen, denn es gab viel zu erzählen und auszutauschen. Die Verwandten aus der näheren Umgebung kamen selbstverständlich alle per pedes.
Unmengen von Kartoffeln mussten geschält werden, bis schließlich der Festschmaus auf dem Tisch stand. Ein Original Lieger Gericht war Kabbes, Erwes und gegarter Schinken. Nachmittags gab es Kuchen und abends dann Braten.
Die Musikanten spielten in den Gasthäusern Schnorbach oder Müller zum Tanze auf und kassierten den obligatorischen Tanzgroschen.
Der Tanzsaal der Familie Müller, der in der 1. Etage lag, war über eine steile Treppe von außen zu erreichen.
Dabei gab es in früheren Zeiten des Öfteren Streitigkeiten und das ein oder andere Mal auch eine handfeste Schlägerei. Zumeist waren die jungen Mädchen der Grund dafür. Festzuhalten war, dass die Schlägereien nicht die brutalen Ausmaße heutiger Tätlichkeiten hatten. War einer unterlegen, wurde aufgehört und sich wieder dem Trinken zugewendet. Sehr oft kam auch eigens der Gendarm der Gendarmeriestation Treis, um vor Ort nach dem Rechten zu sehen. Die Wirte verwöhnten dann die Ordnungshüter mit gutem Essen und Trinken, damit sie nicht mehr so genau überprüften, ob möglicherweise noch Jugendliche zu später Stunde in dem Tanzlokal waren.
Zwischendurch ging man an die Schießbude, um für die Angebetete Papierrosen oder andere „Kostbarkeiten“ zu schießen. Die letzten drei Tänze gehörten immer demjenigen, der später das Mädchen nach Hause begleiten sollte. Das Ganze aber ging äußerst sittsam zu. Nach durchzechter Nacht ging es selbstverständlich am Sonntag in den Morgenstunden zum feierlichen Hochamt in der Pfarrkirche mit anschließendem Frühschoppen.
Eine besondere Tradition wurde bis vor einigen Jahren am Kirmesmontag begangen, wenn es nach der heiligen Messe mit dem Musikverein und der Feuerwehr zum Friedhof ging. Dort wurde dann in Anwesenheit des Pfarrers, des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde, des Ortsbürgermeisters, vieler Lieger und Gäste allen Gefallenen und Vermissten beider Weltkriege gedacht. Die Ehrengäste wiesen dann in ihren Reden darauf hin, dass diese Lieger, die für einen schrecklichen Wahnsinn ihr zumeist junges Leben lassen mussten, uns auch künftig Mahnung sein sollen, den Hass und die Gewalt gegen jedermann zu ächten.
Danach ging es in musikalischer Begleitung und unter Eskorte der Feuerwehr mit singendem und klingendem Spiel in das Gasthaus Schnorbach, wo schließlich zünftig der obligatorische Frühschoppen gefeiert wurde. Der Musikverein spielte auf und die Ortsvereine führten im Wechsel eine große Verlosung durch. Der Frühschoppen erstreckte sich meist bis weit in den Abend hinein, wenn es leicht angeheitert nach Hause ging.
Die Tradition wird auch heute noch gepflegt, allerdings finden der Friedhofsgang, die musikalische Unterhaltung sowie die Verlosung durch die Ortsvereine jetzt samstagsabends nach dem Kirmeshochamt statt. So wird die „Leja Kermes“ weiter hochgehalten.